Bei den Therapielotsen arbeiten und parallel studieren

Bei den Therapielotsen arbeiten und parallel studieren? Wie das geht hat Oli aus Troisdorf erfolgreich bewiesen!

Vor meinem Urlaub habe ich nämlich ein sehr interessantes Interview mit unserem Kollegen Oli geführt. Er ist 2023 bei den Therapielotsen im Standort Köln/Bonn an Bord gegangen und hat zeitgleich sein Bachelorstudium der Physiotherapie gestartet.

Wie er den Spagat zwischen Arbeit und Studium bewältigt hat und mit welchem Thema sich seine Bachelorarbeit befasst hat, erfahrt ihr in diesem Interview.

Interview mit Oli aus Troisdorf

Wer bist du und wie bist du zu Therapielotsen gekommen?

Ich bin Physiotherapeut in Troisdorf und bin jetzt seit 2023 bei den Therapielotsen.
Ich bin über die Internetseite zu den Therapielotsen gekommen und da hat mich das Konzept so angesprochen und überzeugt und dachte ich rufe da mal ganz unverbindlich an und wurde dann direkt überzeugt.

Wie lange bist du jetzt schon Physiotherapeut? Wie lange warst du vorher schon Therapeut?

Ich habe die Ausbildung 2018 beendet. Dann war ich ein Jahr in Amerika und danach habe ich in einer neurologischen Früh-Rehabilitation und auf der Intensivstation gearbeitet. Ich habe mein Studium dann simultan mit der Arbeit bei den Therapielotsen angefangen.

Wie bist du auf Idee gekommen, das Studium zu machen? Was war deine Motivation?

Ich wollte mich selbst weiterentwickeln und die Therapie im Ganzen weiterzubringen. Also ich finde die Akademisierung ein spannendes Thema. Und finde, dass wir da in Deutschland noch hinterher sind, im Vergleich zu anderen Ländern. Ich wollte deswegen auch mal gucken, ob ich da selbst einen Beitrag leisten kann um die Evidenzbasierte Medizin weiter zu bringen oder mich selbst weiterzubringen.

Und der Bachelor ging über zwei Jahre?

Ja genau, das Bachelor-Studium ging über 2 Jahre. Es waren 3 Semester Regelstudienzeit. Ich habe für meine Bachelorarbeit aber 2 Semester gebraucht, da diese ziemlich ausführlich war. Deshalb habe ich ein Semester mehr gemacht.

Jetzt hast du deinen Bachelor erhalten und das Studium abgeschlossen. Was ist dein Fazit aus den 2 Jahren, was hast du für dich mitgenommen?

Ich habe gelernt besonders Literatur kritisch zu lesen und zu gucken, wo ich mir meine Informationen hernehme. Aber auch wo es wo es vielleicht Zusammenfassungen gibt für den Alltag oder wie ist denn jetzt überhaupt der Stand bei verschiedenen Krankheitsbildern, was kann man dort machen und wie ist der aktuelle Stand der Wissenschaft. Oft lese ich zu vielen Krankheiten das keinen guten wissenschaftlichen Stand gibt und viele Sachen noch nicht klar sind. Ich habe auch meine Therapiemethoden auch so selbst mehr hinterfragt und reflektiert.

Ich habe auch gelernt wissenschaftlich zu arbeiten, was ich sehr interessant und herausfordernd zu gleich finde.

Kannst du das nur mal genau kurz erklären, wie deine Bachelorarbeit aufgebaut war? Also wie kamst du zu dem Thema, wie war das gestaltet, wie waren die Rahmenbedingungen? 

Es war ein größeres internationales Projekt. Ich habe mich darauf beworben. Daran war eine Universität aus Kanada, eine Universität aus Chile und eine Expertin aus Schweden zum Thema Fibromyalgie involviert. Eine Bibliothekarin aus Kanada hat eine Suchstrategie für ein systematisches Review zusammengestellt. Dann haben wir die Studien sortiert, bewertet, analysiert und zum Schluss zusammengefasst. Dabei ging es um Studien die sich mit Patienten mit Fibromyalgie befassen und wie sich Trainingstherapie auf die auf Hirnplastizität und Substanzen in im Gehirn und der Blutbahn auswirkt.

Okay wie viele Studien hat hattet ihr da eingeschlossen? Fibromyalgie ist ein seltenes Krankheitsbild, daher gibt es wahrscheinlich auch nicht viele Studien zu dem Thema oder?

Der Krankheitsablauf in Fibromyalgie ist auch noch nicht komplett geklärt. Das heißt, es war auch schwierig, herauszufinden, wie die Substanzen wirken, wenn noch nicht mal klar ist, wie die Krankheit überhaupt genau entsteht beziehungsweise wie Sich das auswirkt.
Insgesamt haben wir 7 Studien gefunden.

Konnte man ein grobes Fazit ziehen, also hat es einen positiven Effekt oder gibt es zumindest eine Tendenz?

Die Tendenz war schon positiv. Besonders auf klinische Parameter wie Schmerz oder Lebensqualität. Aber zur eigentlichen Ausgangsfragestellung zu Substanzen im Gehirn und Gehirn-Plastizität konnte man jetzt kein richtiges Fazit ziehen. Dort gab es positive Outcomes und Outcomes, die sich nicht verändert haben im Gegensatz zur Kontrollgruppe. Das lag aber auch an kurzen Interventionszeiträumen. Es war generell eine hohes Bias-Risiko (Risiko der Verzerrung).

Wahrscheinlich auch weil die Teilnehmerzahlen der Studien gering waren und die Ergebnisse dadurch wenige repräsentativ sind. Das hängt wohl auch mit dem Krankheitsbild zusammen, dass man nicht so viele Teilnehmende für Studien gewinnen kann.

Richtig. Die größte Studie hatte so um die 60 Patienten. Die anderen Studien hatten so um die 10 Teilnehmenden.

Behandelst du gerade selber Patienten mit Fibromyalgie oder hast schon mal Berührungspunkte gehabt?

Also ich hatte schon mal Berührungspunkte, besonders während der Ausbildung. Aber den größten hatte ich durch dieses Review. Ich habe mich dann mehr mit dem Leid der Patient*innen befasst und war dann überrascht wie groß das Leid ist. Besonders der Weg bis zur Diagnose, der sehr lange dauert und das die Lebensqualität so stark eingeschränkt ist durch die Krankheit.
Ich hätte jetzt natürlich gerne mehr Patient*innen mit dem Krankheitsbild.

Zum Glück ist die Krankheit ja nicht weit verbreitet.
Ich selber hatte auch während meiner Zeit in einer Physiotherapie-Praxis zwei Patientinnen mit Fibromyalgie gehabt, hatte jedoch vorher auch kaum Berührungspunkte mit der Erkrankung.

Ich hatte jetzt auch immer Kontakt mit ein paar Kolleg:innen. Die Hälfte hat gesagt, dass sie viel Kontakt hat, die andere hat gesagt sie hat noch keine Patient:innen mit Fibromyalgie behandelt haben. Also es scheint sehr unterschiedlich, zu sein und hängt wahrscheinlich davon ab, wo man arbeitet.

Du hast ja bei den Therapielotsen angefangen und parallel studiert. Wie konntest du das für dich managen?

Ja, es war schon intensive Zeit. Ich habe ihn Osnabrück studiert und bin gependelt. Das war schon kräftezerrend. Das Gute war, dass ich In dieser Zeit von der Arbeit sehr flexibel war und das hat mir oft den Druck rausgenommen. Ich hatte Blockwochen, da musste ich von Montag bis Freitag da sein und ich wusste, wenn ich frage ob das geht, dass es kein Problem ist. Daher hatte ich nie Gedanken oder Energie daran verschwendet, dass ich jetzt dachte: „OK, jetzt muss ich da auch noch diskutieren, ob ich da hinkomme“ Also ich habe da viel Unterstützung erfahren.

Wie lange war der Fahrtweg von Köln nach Osnabrück?

Also ich hatte um Montag und Freitag hast du Praxisphase. Da konntest da ganz normal arbeiten.
Das heißt, ich bin dann. Dienstag morgens um 6 Uhr am Bahnhof war und dann hatte ich um 10 Uhr eine Vorlesung. Von Tür zu Tür 4 Stunden ungefähr. Manchmal auch 5, je nach Verspätung. Donnerstag bin ich dann nach der letzten Vorlesung gegen 15 Uhr wieder zurückgefahren.

Ich habe mir dann auch angewöhnt den Fahrtweg zu nutzen um für das Studium Sachen auszuarbeiten, ansonsten wäre es verlorene Zeit gewesen.

Wie ist denn jetzt ein weiterer Plan? Was schwebt dir vor?

Ich habe meine Stunden wieder erhöht und habe eine 4-Tage-Woche. Ich möchte das auch erstmal auskosten, wieder in der Praxis zu arbeiten und wieder mehr am Patienten zu sein. Ich könnte mir aber auch vorstellen im nächsten Jahr vielleicht dann denn Master anzugreifen. Da bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Wo arbeitest du derzeit und welche Patient:innen behandelst du?

Im Moment arbeite ich 2 Tage im Altenheim direkt in Köln. Die anderen beiden Tage bin ich in der Praxis in Troisdorf. Dort habe ich Patient*innen mit neurologischen und orthopädischen Erkrankungen und mehrere auch Hausbesuche.

Ist die Bachelorarbeit oder die die Studie eigentlich öffentlich einsehbar?

Wir schreiben es gerade für ein Journal um und werden es dann Bereitstellen, um es dann zu veröffentlichen. Ich weiß jedoch noch nicht wie lange der Prozess dauern wird. Im besten Fall ist es in 1-2 Monaten öffentlich.

Vielen Dank für das Interview!

Jan arbeitet als Physiotherapeut bei den Therapielotsen in Berlin. Er schreibt regelmäßig Artikel für den Blog und für unsere interne Flaschenpost.