Patientenlots:innen
Die Relevanz von Patientenlots:innen
Warum sind Patientenlots:innen so wichtig?
Unser Gesundheitssystem und das gesamte Sozialsystem zeichnen sich durch eine zunehmende Ausdifferenzierung und Komplexität aus. Die Sozialgesetzbücher, die auch die Grundlage der Gesundheitsversorgung bilden, unterteilen die Leistungen in verschiedene Sektoren. Die Lebenswirklichkeit der Menschen hingegen ist durch diese sektorale Trennung nicht abgebildet. Insbesondere chronisch erkrankte oder multimorbide Patient:innen mit komplexem Versorgungsbedarf sowie Personen mit Sprachbarrieren oder anderen Zugangsschwierigkeiten stoßen an die Grenzen dieser Systeme. Meistens werden sie dann gar nicht oder nur unzureichend versorgt. Erst, wenn sich die (gesundheitliche) Situation zuspitzt und die Menschen in eine Krise geraten erfolgt die Aufnahme in das Versorgungssystem über die Rettungsstellen der Krankenhäuser. Dies gilt für ältere, multimorbide Menschen genauso, wie für Menschen mit psychischen Problemen oder auch Familien mit sehr schwierigen sozialen Verhältnissen. Unabhängig von Bildung, Vorwissen und digitaler Affinität sind Patient:innen regelmäßig mit der Orientierung im (Gesundheits-)System überfordert.
Die Rolle von Patientenlots:innen:
Patientenlotsinnen und Lotsen übernehmen in dieser Situation eine wichtige Funktion. Sie koordinieren die Leistungen medizinischer und nicht-medizinischer Leistungserbringer und agieren als „personifizierte Sektorenüberschreiter“.
Die IGES-Studie hebt die folgenden Vorteile von Patientenlots:innen hervor:
- Orientierung am individuellen Bedarf der Patient:in: Patientenlots:innen folgen dem Leitbild der patientenzentrierten Versorgung und richten ihr Handeln an den individuellen Bedürfnissen der Patient:innen aus.
- Kombination von Fachwissen und Empathie: Sie vereinen ein technisches Verständnis evidenzbasierter Versorgungspfade mit einer sozialen Komponente, die Empathie und Empowerment der Patient:innen in den Vordergrund stellt.
- Mittelfristige ökonomische Potenziale: Durch den Abbau von Über-, Unter- und Fehlversorgung können langfristig Kosten gesenkt werden, da beispielsweise weniger kostenintensive Krankenhauseinweisungen oder gar medizinische Notfälle zu erwarten sind, was nicht zuletzt natürlich im Sinne der Patient:innen ist.
Die Praxis der Therapielotsen:
Als Therapielotsinnen und Lotsen beherzigen wir diese Prinzipien seit langem. Wir verstehen uns als Lots:innen im komplexen Gesundheitssystem und unterstützen unsere Patient:innen aktiv bei der Navigation durch die verschiedenen Sektoren und Leistungserbringer.
Aktueller Stand und Perspektiven der Patientenlots:innen:
Nach einer Phase der politischen Aufmerksamkeit ist es um das Thema Patientenlots:innen aktuell ruhiger geworden. Dies mag im Zusammenhang mit anderen geopolitischen Themen stehen, die eine höhere Priorität genießen. Im Dezember 2022 wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE „Patientenberatung stärken und ihr Angebot verbessern“, der auch die Patientenlots:innen inkludierte, von allen anderen Parteien im Bundestag abgelehnt.
Der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses fördert und evaluiert aktuell einige Pilotprojekte. Dies schafft eine wichtige Evidenzgrundlage für die zukünftige Entwicklung der Lotsentätigkeit. Die Finanzierung der meisten Lotsenprojekte erfolgt derzeit aus den Beitragsmitteln der GKV. Aber das ist nicht trivial, da die Lotsentätigkeit auch in den Verantwortungsbereich von Kommunen und anderen Sozialleistungsträgern liegen können.
Offen bleibt, ob und wann die Lotsentätigkeit in die Regelversorgung übergehen kann und wie die Finanzierung langfristig gesichert werden kann. Die Mediplus gGmbH ist Mitglied beim Bundesverband ManagedCare (BMC) und engagiert sich aktiv in der Arbeitsgruppe „Lotsen“. Wir beobachten die Entwicklungen in diesem Bereich mit großem Interesse und setzen uns für eine nachhaltige Implementierung von Patientenlots:innen in der Versorgungslandschaft ein.